Wer diese Website liest, weiß natürlich: Beim Schach hat der Spieler mit den weißen Steinen den Anzugsvorteil. Er beginnt die Partie, kann sie gestalten, das Tempo bestimmen und, wenn er alles richtig macht, den Schwarzspieler vor sich hertreiben, ihm sein Spiel aufzwingen. Der Vorteil schwindet zwar mit zunehmender Spieldauer, aber die Statistik zeigt eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 37 bis 40 Prozent für Weiß und nur 27 bis 29 Prozent für Schwarz; der Rest endet Remis.
Entsprechend kurios verlief die heutige 5. Runde der Bayerischen Meisterschaft. Zum Ende hin nivellierte es sich zwar noch ein wenig, aber als etwa die Hälfte der Bretter beendet waren, gab es noch keine einzige Gewinnpartie mit Weiß. Am Ende der Runde standen sechs Schwarzsiege, vier Remis und nur drei Weißsiege zu Buche. Das ist mal ein statistischer Ausreißer.
Einen der vielen Schwarzsiege gab es auch an Brett 1, was bedeutet, dass das Duell des Überraschungsführenden Tugrul Türel gegen den mehrfachen Bayerischen Meister Eduard Miller nicht gut für den jüngsten Spieler der BEM vom SF München ausging. Der FM vom SC Erlangen holte sich den Sieg und damit auch die Tabellenführung.
FM Lars Goldbeck (SC Bavaria Regensburg), der gestern seine erste Niederlage hatte einstecken müssen, behielt im Topduell gegen FM Lukas Schulz (SC Erlangen) – ein weiterer mehrfacher Gewinner der BEM – am Ende die Oberhand. Übrigens einer der wenigen Weißsiege am heutigen Tag. Damit bleibt Lars auf Tuchfühlung zur Spitze.
An Brett 3 bekam es Überraschungsmann Florian Gold vom SK Kelheim mit FM Robin Schlichtmann zu tun. Zwar hatte Florian bisher das ganze Turnier über weit über seiner Elozahl performt, doch diesmal war der knapp 300 Elo höher eingestufte FIDE-Meister vom SC Garching eine zu harte Nuss zu knacken. Im Mittelspiel wiederholten die beiden kurz die Züge, doch dann schien es sich Robin anders zu überlegen und es gelang ihm tatsächlich noch, die bis dahin ausgeglichene Partie auf seine Seite zu ziehen.
Auf Brett 4 duellierten sich Wolfgang Bunk (SC Bavaria Regensburg) und Tobias Ammon (SV Altensittenbach), wobei Wolfgang einen guten Teil der Partie mit einem gesunden Mehrbauern bestritt und ordentlich Druck machte. Dieser ging im weiteren Verlauf jedoch sukzessive verloren, sodass sich die beiden auf Remis einigten.
An Brett 5 lief mit Richard Kaiser (SK Passau) gegen Michael Vollnhals (MTV Ingolstadt) eine jener Partien, die auf das schwarze Konto einzahlten. Obwohl Richard keinen Patzer einbaute, entglitt ihm die Partie im Mittelspiel und Michael, der eine Bilderbuchpartie spielte, konnte am Ende den vollen Punkt mitnehmen.
An Brett 6 spielten FM Roland Schmid und Ricardo Friedrich auf die vornehme englische Art, die symmetrische Variante genau genommen. Nach zwischenzeitlichem leichten Stellungsvorteil für Weiß verlief diese Partie im Remis.
Auf einen Blick alle Ergebnisse dieser kuriosen Runde.
Auch IM Edin Pezerović trieb es als Zuschauer nach Rosenheim, um die Spieler bei ihren Kämpfen zu verfolgen.
Die Tabelle nach Runde 5 sieht wieder einen auf der BEM wohlbekannten Namen ganz oben.
Morgen steht die letzte von zwei anstrengenden Doppelrunden bei dieser BEM auf dem Programm. Dann könnte schon so etwas wie eine Vorentscheidung fallen. Wir sind gespannt.
Weitere Fotos aus dem Turniersaal sind hier zu finden. Die Partien der ersten zehn Bretter können auf Lichess nachvollzogen werden. Alle weiteren Partien (via PGN) sowie die Runden und Zwischenstände sind auf Chess-Results zu finden.
Alle Artikel zur BEM/BFEM 2024 auf einen Blick:
– 95. Bayerische Meisterschaft startet am Sonntag in Rosenheim
– 95. Bayerische Meisterschaft ist gestartet
– Startschuss für die Bayerische Frauen-Einzelmeisterschaft 2024
– Beben auf den vorderen Brettern
– Nur noch zwei Teilnehmer mit Idealpunktzahl
– Doppelrunde stellt das BFEM-Feld auf den Kopf
– U14-Nachwuchstalent stürmt an die Tabellenspitze
– Vanessa Bräuer übernimmt die Führung der BFEM
– “Schwarzer Tag” auf der Bayerischen Meisterschaft
– Eine Doppelrunde voller Überraschungen bei den Frauen
– Tag der verpassten Chancen auf der Bayerischen Meisterschaft
– Sechs Spielerinnen innerhalb eines Punktes vor der letzten Runde
– Führungswechsel in der Vorschlussrunde der Bayerischen Meisterschaft
– FM Eduard Miller krönt sich zum Bayerischen Vierfach-Meister – Goldbeck auf Zwei
– WFM Olga Birkholz ist Bayerische Meisterin – Vanessa Bräuer holt Vizetitel