Sekt oder kein Sekt – das ist hier die Frage. Höchst verlockend stehen am Eingang zum FrĂĽhstĂĽcksbuffet im Maritim-Hotel Sektflaschen und die dazugehörigen Gläser bereit. Ein nicht schachspielender Ingolstadt-Tourist wĂĽrde das All-in-Angebot vermutlich voll auskosten. Aber wir befinden uns bei einer Deutschen Meisterschaft. Darf man da…? Sollte man gar…? Investigative Recherchen und nicht allzu repräsentative Umfragen bringen an den Tag, dass nur die allerwenigsten Teilnehmer der DSAM zum Morgensekt greifen. Und wenn, dann tun sie’s nicht heimlich, sondern mit Ăśberzeugung. Wir haben eine Testperson (Name der Redaktion sehr gut bekannt) gefunden, die zwei, drei kleine Schlucke des prickelnden Getränks – mengenmäßig im Promille-Bereich – probierte und uns später ihre Erfahrungen schilderte. So viel sei vorweggenommen: Der Sekt vor dem Wettkampf fĂĽhrte zu einer recht wilden Partie.
Denn unsere Testperson, nennen wir sie S., spĂĽrte schon vor Beginn die Wirkung des gut zehnprozentigen Schaumweins. “Ich war entspannter als sonst.” Die Partie blubberte dahin. Bis, ja bis ein zweiter Effekt des Aperitifs einsetzte: die Risikofreudigkeit. Ganz entgegen ihres sonstigen Spielstils schickte S. ihren f-Bauern in die Offensive – ohne groĂź zu beachten, dass sie damit ihren unrochierten König einer Abzugsattacke aussetzte, die diesen in Lebensgefahr brachte. Ein Analysetool sollte später einen 9,8-Vorteil fĂĽr den Gegner ermitteln. Doch wie so oft – Sekt hin, Sekt her – kam es auch diesmal vor, dass S.’ GegenĂĽber seine riesige Chance nicht erkannte und sich vom fulminant-fatalen f-Bauern fälschlicherweise beeindrucken lieĂź. Nur drei ZĂĽge bot der Kontrahent tatsächlich Remis an, was S. freudestrahlend annahm.
Was lässt sich daraus für die Anfangsfrage ableiten? Es verhält sich beim Sekt wohl so wie bei anderen legalen Dopingmitteln, auf die Schachspieler schwören. Ob es Überdosen Kaffee sind oder packungsweise Traubenzucker oder eben edler Sekt: Die Wahrheit liegt nun mal nicht im (Schaum-)Wein, sondern immer auf dem Brett. Und wer während der fünf Runden Verzicht übt, kann vielleicht bei der Siegerehrung die Sektkorken knallen lassen.