Es ist das größte Ärgernis: Man hat eine klare Gewinnstellung auf Brett, doch plötzlich gleitet die Partie aus den Händen, sie kippt zum bitteren Verlust. Wie tröstlich, dass es nicht nur Bezirksliga- und Kreisliga-Spielern so geht, sondern auch echten Großmeistern. “Das passiert mir ständig”, gesteht Léon Mons und lächelt. Vor allem bei Mannschaftskämpfen in der Oberliga für Erlangen ärgert er sich, wenn er eine gewonnene Partie noch hergibt. Von daher konnte er den Ding-Patzer bei der WM nachfühlen – obwohl er der Meinung war, dass jener kapitale Fehlzug eher eine “psychologische Sache” war.
Nun, bei der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) in Ingolstadt, ist Léon Mons die Anlaufstelle für fundierte Analysen. “Eine völlig neue Erfahrung für mich”, meint der 29-Jährige. Sein erster Gast im Konferenzraum am Freitagmorgen: ein Junge, neun oder zehn Jahre alt, der dem GM stolz seine Gewinnpartie präsentierte. “Da gab es nichts zu kritisieren.” Stundenlang fremde Partien anzuschauen, mache ihm Spaß, sagt Léon nach Runde eins. Trotzdem sei es auch anstrengend. Fast wie eine Doppelrunde mit zwei langen Partien. (Auf unserem Foto analysiert er mit DSAM-Original Frank Stolzenwald.)
Welche Tipps kann er den Spielern mit auf den Weg geben? “Man kann nicht jede Partie im Gambitstil gewinnen”, weiß der Versicherungsmathematiker aus eigener Erfahrung. Das Wichtigste für einen starken Spieler sei “ein guter Mix” aus positionellen und taktischen Stärken. So habe er auch die hohen Stufen zum Großmeister-Titel erklommen. “Ich hab’ eigentlich einen recht langweiligen, positionellen Spielstil.”
Auch Léon Mons hat mal klein angefangen, beim Schachclub Forchheim in Oberfranken. Dort hatte er das Glück, mit weiteren Talenten in einer Mannschaft zu spielen. Der Verein entschied sich, das U12-Team zu fördern und engagierte GM Michael Prusikin als Trainer. Das kam Léon zugute, als einziger aus der früheren U12-Gruppe schaffte er 2017 den Sprung zum GM, ist damit einer von drei oberfränkischen Großmeistern (neben Dr. Helmut Pfleger und Michael Bezold). Mons spielte Bundesliga für Eppingen und Dortmund, bevor er beim SC Erlangen in der bayerischen Oberliga landete. Dort versucht sich ein junges ehrgeiziges Team an der Rückkehr in die 2. Bundesliga – kein leichtes Unterfangen angesichts harter Konkurrenz.
Im Laufe seiner Karriere hat Léon Mons gegen einige 2700er gespielt. Unter anderem traf er auf den späteren Weltmeister Ding Liren. “Leider nur online”, wie er sagt. Aber die Rapid-Partie endete mit einem achtbaren Remis. “Vielleicht wäre sogar noch mehr drin gewesen.” Da ist er wieder – der ständige Ärger mit der eigenen Partie, der den Kreisligaspieler und den Großmeister eint.