Was wäre das Frauenschach ohne Spielerinnen? Einfach ist die Antwort, gar nicht existent…
So möchten wir als BSB-Frauenschach die Spielerinnen, deren Namen man viel hört und die schachlich viel unterwegs sind, aus erster Hand näher vorstellen.
Selbstverständlich fangen wir mit der amtierenden bayrischen Frauenschachmeisterin Jana Bardorz an.
Foto: © Jana Bardorz Schachbrett und- für den scharfen Beobachter- der Bayerische Frauen-Pokal im Hintergrund.
Was bedeutet fĂĽr Dich Schach?
Schach bedeutet Vielfalt in jeder Hinsicht. Von der langen Geschichte bis zu den unterschiedlichsten Menschen hat es viel zu bieten. Als „Probierstein des Gehirns“ wurde es von Johann Wolfgang von Goethe bezeichnet und so wurde es auch zum Übungsfeld für Künstliche Intelligenz. Der Grund dafür sind die klar definierten Regeln, die zu einer großen Zahl an Möglichkeiten führen. Zudem kann jeder sich am Spiel erfreuen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Kultur.
Wie hast du diese Leidenschaft fĂĽr Schach bei dir entdeckt?
Mein Vater hat mir Schach im Alter von vier Jahren beigebracht und seitdem ist es Teil meines Lebens. Besonders spannend finde ich die Logik des Spiels, wie alles scheinbar zusammenhängt, und überraschende Kombinationen, die eine Wendung des Spielverlaufs zur Folge haben. Man muss bis zum Ende aufmerksam sein!
Dieses Jahr wurde von FIDE als „Year of Women in Chess“ erklärt. Was verstehst Du unter Frauenschach, was verbindest Du damit?
Die 16 Schachweltmeister kennt jeder, aber die Frauenweltmeisterinnen? Zum Glück scheint sich auch hier etwas zu ändern, mehr Turniere, bessere Preisgelder, mehr Berichterstattung.
Das Vorurteil, dass Frauen generell im Schach schwächer sind, ist ein großer Diskussionspunkt. Die Statistik zeigt, dass mehr Männer als Frauen Schach spielen, was sich auf die Spielstärke niederschlägt, das könnte eine Erklärung sein. Deshalb ist es wichtig, mehr Mädchen und Frauen zum Schach zu bringen, dabei können die Top-Spielerinnen als Vorbilder und Ansporn dienen, weshalb eine besondere Förderung durchaus ihre Berechtigung hat.
Doch gibt es Frauenturniere auf allen Ebenen -wie die Bayerischen Frauenmeisterschaften- oder die Frauenligen. Das macht besonders Freude, weil mir als Spielerin aufgezeigt wird, dass es auch andere schachspielende Frauen gibt, und die Gelegenheit gibt, mit diesen Spielerinnen Kontakte zu knĂĽpfen. So entsteht mehr Zusammenhalt unter den Frauen, die schon Schach spielen.
Wenn wir dann bei dem Thema sind, sind die Jungs stärker als Mädchen? Wie findest Du?
Zusätzlich zum obigen Statistik-Argument mit der Unterzahl von Mädchen möchte ich noch folgende Beobachtung einbringen: Mädchen hören häufig früh mit dem Schach auf. Zu Beginn scheint alles noch sehr schwierig, die Regeln müssen gelernt werden, das kann mühsam sein. Dann gibt es andere Sportarten, die locken, oder das Interesse geht einfach verloren. Ich habe den Eindruck, dass Mädchen sich damit schwerer tun. Klar, Jungs und Mädchen unterscheiden sich, aber das auch häufig weniger, als wir denken. Aber von den natürlichen Gegebenheiten sehe ich keinen Grund, warum das so sein sollte.
Was möchtest du als eine gute Spielerin jüngeren Spielerinnen empfehlen?
Wenn ein Großteil der Freundinnen zum Turnen geht -um hier einen anderen Stereotypen einzubringen-, warum sollte ich alleine zum Schach gehen? Die Lösung ist einfach: Bringt Freundinnen zum Schach mit, denn zusammen macht es mehr Spaß. Zusätzlich dazu: Bleibt dabei und lasst euch nicht entmutigen, aller Anfang ist schwer. Wenn man aber fleißig trainiert und ein gewisses Niveau erreicht, wird einen das Spiel nicht mehr loslassen.
Wie gehst Du dann mit Deinen Verlustpartien um?
Primär geht es bei mir nicht ums Gewinnen oder Verlieren. Das liegt aber auch daran, dass Schach ein Hobby für mich ist und nicht mein Lebensunterhalt davon abhängt, weshalb ich mir das leisten kann. Klar, wenn eine wichtige Partie durch einen dummen Fehler entschieden wird, ärgert man sich. Das zeigt aber nur, dass einem etwas daran liegt. Dann heißt es, weiterzumachen und sich auf die nächste Partie zu konzentrieren. Im Schach gibt es nämlich so viele schöne Fehler, dass es sich nicht lohnt, einen Fehler mehrmals zu machen.
Wie oft und was trainierst Du? Was motiviert Dich zum Training?
Ich mache gerne Taktikaufgaben und es liegt ein großer Stapel an Schachbüchern auf meinem Schreibtisch. Kommentierte Partien zum Nachspielen (besonders die „Klassiker“ sind sehr lehrreich), Die Endspieluniversität und weitere Bücher von Mark Dvoretsky oder Arthur Jussupow sind immer dabei. Die Motivation ist nun, dass, je mehr man trainiert, umso mehr einem klar wird, wie viel es noch zu lernen gibt. Der Stapel wird also immer größer 🙂
Wenn ich nach Deinen schachlichen Vorbildern frage
Eine typische, aber schwierige Frage. Ich möchte Wilhelm Steinitz nennen, der mit der Erforschung der positionellen Faktoren des Spiels entgegen der romantischen Vorstellung, Gewinnkombinationen entstehen aus dem Nichts, die Strategie in eine neue Richtung lenkte. Dies hat nicht nur ein neues Denken erfordert, sondern auch eine konsequente Verteidigung seiner Ansichten.
AuĂźerdem noch Judith Polgar, die nicht nur eine beeindruckende Spielerin und als Frau den weltbesten Spielern Parole bieten konnte, sondern sich auch um das Schach durch Organisation von Veranstaltungen und als Vorbild verdient macht.
Du bist die bayerische Frauen Meisterin und die bay. Schnellschachmeisterin. Was sind Deine weiteren schachlichen Ziele?
Ziel 1: Gegen einen GroĂźmeister spielen
Ziel 2: Gegen einen GroĂźmeister remis halten
Ziel 3: Gegen einen GroĂźmeister gewinnen
Und das Wichtigste: Niemals die Begeisterung verlieren
Was sind Deine beruflichen Ziele? Wie willst Du Schachspielen und Deine berufliche Karriere kombinieren?
Schach ist und bleibt mein Hobby, wohin mich mein Weg auch führt. Vor kurzem habe ich mein Mathematikstudium begonnen, darauf möchte ich mich als Nächstes konzentrieren.
Was hättest Du anders gemacht oder passt alles, wenn Du zurückblickst?
Ich habe viele Jahre vor allem Taktik gemacht; das ist sehr wichtig, jedoch kann ich empfehlen, sich mit seinen Schwächen zu beschäftigen und aktiv daran zu arbeiten. Da hätte ich mir gewünscht, früher Schachbücher in die Hand zu nehmen.
Hast Du einen Trainer, wie stark soll der Trainer am Anfang sein, deiner Meinung nach?
Ich habe lange Zeit mit GM Michael Prusikin trainiert. Das hat mir viel geholfen und Selbstvertrauen gegeben.
Die Spielstärke kann bestimmte Trainereigenschaften nur bedingt kompensieren; wichtig ist vor allem, dass man sich wohl fühlt und der Trainer individuell auf den Spieler eingehen kann.
Was denkst Du, inwiefern hat das Schachspielen Dich beeinflusst und bestimmte Charakter-Eigenschaften von Dir gestärkt?
Die Frage ließe sich restlos erst durch einen Vergleich mit einer Parallelwelt beantworten, in der ich das Schachspiel nie erlernt hätte, doch möchte ich eine Vermutung anstellen:
Die kompetitive Seite des Spiels hat mich das Verlieren gelehrt, aber auch den Kampfgeist. An den Herausforderungen bin ich gewachsen.
Die intellektuelle Seite hat meinen Verstand geschärft und die Fähigkeit trainiert, sich in Situationen weit hineinzudenken und Probleme zu lösen. Übung macht den Meister.
Die gesellschaftliche Seite hat mir Selbstständigkeit, viele schöne Reisen, teilweise auch in andere Länder, und Freundschaften gebracht. Sport verbindet – ĂĽber Grenzen hinweg.
Liebe Jana, herzlichen Dank für dieses schöne Interview. Ich wünsche Dir frohe Weihnachtszeit und ein erfolgreiches, gesundes Neues Jahr 2023.
Aylin 11.Dezember.2022